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Dead Man

 


USA/D/J 1995, s/w, 115 Min.

Uraufführung: Int. Filmfestspiele Cannes 1995

Crew:

Regie
Produzent
Drehbuch
Musik
Kamera
Schnitt


Jim Jarmusch
Demetra J. MacBride
Jim Jarmusch
Robby Müller
Jay Rabinowitz
Neil Young
Darsteller:

Johnny Depp .... William Blake
Gary Farmer .... Nobody
Lance Henriksen .... Cole Wilson
Michael Wincott .... Conway Twill
Mili Avital .... Thel Russell
Crispin Glover .... The Fireman
Eugene Byrd .... Johnny "The Kid" Pickett
Iggy Pop .... Salvatore "Sally" Jenko
Robert Mitchum .... Der Fabrikant
Billy Bob Thornton .... Big George Drakoulious
Jared Harris .... Benmont Tench
Michelle Trush .... Nobody's Freundin
Jimmie Ray Weeks
Mark Bringelson
Gabriel Byrne
John Hurt
Alfred Molina
Steve Buscemi

 

Bilder

 

Inhalt & Kritik

Die Geschichte des "toten Mannes" beginnt mit William Blakes Zugfahrt in den Ort Machine, wo er die Stelle eines Buchhalters antreten will. In dem Abteil, das er mit wilden Gesellen des Weste(r)ns teilt, wirkt der junge, feminine Mann im großkarrierten Anzug genauso verloren wie die Landschaften, die man am Fenster vorüberziehen sieht. Ein Blick Blakes durch die Jalousie zeigt dem Zuschauer die bizarre Wüste des Südwestens der USA, ein Zitat einer Westernikone, die im weiteren Film nicht mehr auftauchen wird. Mit dem Zug verlassen wir die klassischen Wirkungsstätten von John Ford und John Wayne und begeben uns auf ein neues Terrain: Jim Jarmuschs Western.
Während der Zugfahrt unterbricht nur der Maschinist das bedrückende Schweigen im Abteil. Er warnt Blake vor der Endstation Machine und seinen Bewohnern auf kryptische Weise. Die Berechtigung dieser Warnung wird mit den ersten Bildern des Ortes deutlich. Wie eine Figur Kafkas erfährt Blake, daß die ihm garantierte Stelle nicht mehr vakant ist, und Fabrikbesitzer John Dickinsons doppelläufige Flinte verdeutlicht Blake, daß er im Unternehmen unerwünscht ist.
Mittellos am Ende der (fremden) Welt wird der tragische Clown Blake in ein Eifersuchtsdrama verwickelt, in dessen Folge er Dickinsons Sohn aus Notwehr erschießt.
Blake flieht, schwer verwundet durch eine Kugel nahe am Herzen, aus der Stadt und trifft auf den Indianer Nobody, der ihn für den Dichter William Blake hält. In der Zwischenzeit setzt John Dickinson drei berüchtigte Killer auf Blake an und erklärt ihn so endgültig zum "toten Mann".
Auf der Flucht bewundert Nobody seinen neuen Freund Blake immer mehr für dessen widerwillig erworbene Schießkünste: viele weiße Männer und Verfolger werden von Blake ins Jenseits befördert, bevor dieser nach indianischem Zeremoniell an den Ort der Geister zurückkehrt.
Jim Jarmusch erzählt von einer Reise eines Mannes, der nicht sterben will. So fremd Blake in dieser Welt ist, so fremd scheint ihm auch das Sterben. In dem Film "Blue in the Face", der z.Zt. auch in unseren Kinos läuft, erwähnt Jarmusch den Symbolcharakter des Rauchens für die eigene Vergänglichkeit. Blake wird im Laufe von "Dead Man" immer wieder um Tabak gebeten, er hat aber keinen, und die Fragerei geht ihm sichtlich auf die Nerven. Alle, die diese Frage stellen, sterben noc h vor Blake, er selbst bekommt erst auf seinem Totenkanu den Tabak beigelegt.
Ob einige Lieder von Neil Young Jarmusch zu diesem Film mitinspiriert haben sei dahingestellt, sicher ist, daß Youngs Gitarren, akkustisch brachial verzerrt, die Atmosphäre des Films eindringlich verstärken. Die Schwere der Thematik ist bei Jarmusch neu, aber auch wenn das Sterben in diesem Film wehtut, ist es nicht ohne Komik. Wo früher Roberto Benigni am nächtlichen Lagerfeuer Kaninchen briet und über seine Mutter philosophierte, verspeist nun der schlimmste aller Killer se inen allzu schwatzhaften Waffenbruder. Jarmusch bleibt also trotz des ungewohnten Genres seinem wunderbar lakonischem Stil und der Idee der interkulturellen Konfrontation treu. Wie in allen seinen Filmen treffen auch in "Dead Man" Leute mit unterschiedlichen kulturellen Lebenserfahrungen aufeinander, woraus sich immer wieder eine äußerst menschliche Komik entwickelt.

Max Herrmann

"I am William Blake. Do you know my poetry?" sagt Johnny Depp , bevor er den tödlichen Schuss abfeuert. Selbst langsam an einer Kugel verendend, schleppt er sich an der Seite des Indianers "Nobody" (Gary Farmer) seiner letzten Ruhe entgegen, und durchquert dabei einen entvölkerten, unwirklich schönen Westen zur trippigen slide guitar Neil Youngs . Der Film mit dem sich Jarmusch nach einer Schaffenskrise neu erfunden hat (der nach Night on Earth schon etwas angestrengte Indie-Zwangshumor tritt wieder hinter der Melancholie zurück), ein Meilenstein im Kino der 90er, vielleicht der einzige wirklich revisionistische Western, der je gedreht wurde: Der weiße Mann findet seine Seele nicht mehr, was ihn nicht daran hindert, im Namen der Zivilisation die Welt zu zerstören. Nebenbei bemerkt: Inmitten eines in jeder Hinsicht großen Ensembles liefert der große Robert Mitchum einen seiner letzten Filmauftritte.

videoFreak

(...) Der Film zeichnet in brillanten Schwarz-weiß-Bildern das Leben als unendlichen Zyklus, entführt in ein Reich der Imagination. Über einige Längen hilft Johnny Depp als träumerischer Anti-Held hinweg.

M.K.

(...) Seit 1990 ist das Western-Genre wieder populär. Mit diesem Film erweist ihm auch Jim Jarmusch seine Reverenz. Gewohnt ruhig und lakonisch gefilmt, zeigt der Regisseur den Wilden Westen aus der Perspektive eines sterbenden Desperado wider Willen: Der Held nimmt wahr, (fast) ohne zu handeln - eine interessante Variation eines eigentlich actiongeladenen Genres.

Zoom, 1/96

Jim Jarmuschs Filmkunst-Western zeigt Johnny Depp als Antihelden (...) Jim Jarmuschs bizarrer Western-Trip verbindet surreale Schwarzweiß-Asthetik mit grimmigem Humor. Johnny Depp spielt wunderbar minimalistisch, ebenso die großen Stars in ihren kleinen Rollen. (...) Jim Jarmusch erfindet den Western neu: Die Wildnis ist kalt, abweisend und frei von Pathos. Star-Kameramann Robby Müller taucht die Landschaft in surreale Schwarzweißbilder. Neil Young liefert den eindringlichen Soundtrack: ein Meisterwerk des Independent-Kinos!

TV-Spielfilm

(...) Wenn Blake, von Nobody in ein Kanu gebettet, zur assoziativen Musik von Neil Young in die allerletzte Reise abdriftet, gibt's kein Halten mehr. Hemmungslos verfällt man dem skurrilen Charme von Jarmuschs eigenwilliger Kino-Poesie.

Angie Dullinger, AZ, 4.1.96

 

Auszeichnungen

1995 Nominierung Cannes Film Festival (Golden Palm) Jim Jarmusch
1996 European Film Award (Five Continents Award) Jim Jarmusch
1997 Nominierung Independent Spirit Award (Best Cinematography) Robby Müller
1997 Nominierung Independent Spirit Award (Best Feature) Demetra J. MacBride
1997 Nominierung Independent Spirit Award (Best Screenplay) Jim Jarmusch
1997 Nominierung Independent Spirit Award (Best Supporting Male) Gary Farmer
1996 New York Film Critics Circle Award (Best Cinematography) Robby Müller