Das japanische Sozialsystem

4. Absicherung im Alter

 


Inhaltsverzeichnis


4.1. Überalterung der japanischen Gesellschaft

4.1.1. Folgen der Überalterung für die Wirtschaft

4.2. Altenpflege

4.2.1. Versorgung durch die Familien

4.2.2. Stationäre und ambulante Versorgung

4.2.3. Freiwillige im Sozialen System

4.3. Gesetzliche Rentenversicherung

4.3.1. Rentenversicherungssytem

4.3.2. Grundrente

4.3.3. Einkommensabhängige Rente

4.3.4. Rentenabsicherung von Tagelöhnern

4.4. Sonstige Vorsorge im Alter

4.4.1. Betriebliche Alterssicherung

4.4.2. Sparquote und Erwerbstätigkeit im Alter

4.4.3. Selbstständigkeit im Alter


 

4.1. Überalterung der japanischen Gesellschaft

Wie in allen Industrieländern steigt auch in Japan der Anteil der älteren Bevölkerung an. Dieser demoskopische Wandel begann später als in Deutschland, hat aber heute ein rascheres Tempo als andere Industrienationen erreicht: Von 1970 bis 1996 verdoppelte sich der Anteil der Bevölkerungsgruppe über 65 von 7% auf 14% (BRD: 1930-1975). Nach einer Prognose des Nationalen Forschungsinstitutes für Bevölkerung und soziale Sicherheit wird die Quote bis 2015 auf 25% und bis 2049 auf 33% ansteigen. Noch 1993 war das erreichen der 25%-Quote auf das Jahr 2025 vorausgesagt worden, was durch eine Fehleinschätzung der Geburtenraten (s.u.) begründet werden kann. Emmott nennt drei Gründe für die Überalterung der japanischen Gesellschaft:

4.1.1. Folgen der Überalterung für die Wirtschaft

Durch die Überalterung der Bevölkerung wird das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung ansteigen. Diese Tendenz wird durch längere Ausbildungszeiten in Schulen und Universitäten verstärkt. Aufgrund der senioritätsabhängigen Löhne und Karrieren wird der steigende Altersdurchschnitt der Beschäftigten problematisch. Als die Unternehmen in der expandierenden Wirtschaft in ihrer Größe wuchsen, ging die Beförderung mit der wachsenden Zahl von Managern einher. Seit den 70ern sanken die Zuwachsraten und seit Anfang der 90ern stagniert die Wirtschaft, dies hat zur Folge, daß die Zahl der "Festergucker" wächst, da zu viele Anwärter auf zu wenig Führungspositionen gibt.

 

4.2. Altenpflege

4.2.1. Versorgung durch die Familien

Der älteste Sohn ist traditionell für die Versorgung seiner betagten Eltern verantwortlich. Noch vor dem 2. Weltkrieg war die Form der Großfamilie mit vier Generationen unter einem Dach beinahe die Regel. Mit zunehmender Industrialisierung strömten immer mehr Menschen in die Großstädte und die Zahl der Großfamilien nahm - wie in allen Industrieländern - stetig ab. Dies wird zudem durch die beengten Wohnverhältnissen in den Großstädten bedingt, die große Familien räumlich nicht mehr zuläßt. Während nach dem Krieg die Bodenpreisen noch niedrig waren, sind heute junge Familien durch Platzmangel und den daraus resultierenden steigenden Grundpreisen gezwungen, in die Peripherie und damit weg von ihren Eltern auszuweichen.

Aufgrund dieser Entwicklung wurde dem traditionellen Familiensystem nach der formal rechtlichen Abschaffung nach dem Krieg auch in der Realität der Untergang prophezeit. Eine Umfrage von 1988 zufolge waren aber ca. 80% der Befragten zwischen 30 und 40 der Meinung, daß im Falle einer Krankheit oder dem Tod eines der Elternteile die (verbleibenden) Eltern bei ihren Kindern wohnen sollen. Ein ähnliches Ergebnis ergab eine Umfrage des MHW, bei der 75% der Älteren erst beim Tode des Partners zu den Kindern ziehen wollten. Der Anteil der über 65jährigen in Mehrgenerationenhaushalten, welcher seit 1980 um etwa 10% zurückgegangen ist, ist mit etwa 60% noch immer vergleichsweise hoch. Mit steigendem Alter wächst der Anteil der Personen, welche bei ihren Kindern leben: Bei über 75jährigen sind es 68,5% und bei über 80jährigen 74,1%. Großfamilien sind auf dem Land heute erwartungsgemäß häufiger als in den Städten. Wird die Definition des Zusammenlebens auf die nachbarschaftliche Nähe ausgeweitet, steigt der Anteil bei über 65jährigen (ohne Kinderlose) z.B. in Tokyo auf 73%, welcher nur unwesentlich unter dem Landesdurchschnitt (77%) lag.

Seit Ende der 70er betonten japanischen Politiker die Bedeutung japanischer Tugenden und die Rolle der Familie in der Alterssicherung. Die häusliche Versorgung durch die Familie fällt traditionell den Frauen - vor allem den Schwiegertöchtern - zu. Diese drängen jedoch durch das geänderte Rollenverständnis heute immer häufiger ins Berufsleben. 1993 hatten ca. 81.000 Arbeitnehmer ihre Arbeit aufgegeben, um Familienmitglieder zu versorgen. Dieser Anteil wird nach Schätzungen aufgrund der Überalterung der Gesellschaft bis ins Jahr 2000 auf 113.000 ansteigen. Zur Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im Berufsleben wurden 1992 von der Regierung Richtlinien für einen Pflegeurlaub (kaigo kyuka) von pflegebedürftigen Angehörige herausgegeben, welche aber keine konkreten Regelungen enthielten. Diese sollten im Einzelfall ausgehandelt werden. Da es sich nur um Richtlinien handelte, hatten bis 1993 nur 16% der Unternehmen entsprechende Betriebsvereinbarungen getroffen, welche dort nur von 14,85% in Anspruch genommen worden waren (75% Frauen). 1995 wurde ein Gesetz über Pflegeurlaub verabschiedet, nach welchem die Beschäftigten später wieder auf ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren können sollen. Der Pflegeurlaub wird 1999 für alle Unternehmen und Behörden verpflichtend eingeführt, er kann zusammenhängend bis zu drei Monaten dauern und darf für jeden Angehörigen (Eltern, Schwiegereltern, Ehepartner u.s.w.) nur einmal in Anspruch genommen werden. Die Begrenzung des Urlaubes wird aber viele, aufgrund von chronischen Krankheiten der Pflegebedürftigen, nach Urlaubsende zum Ausscheiden aus dem Berufsleben zwingen. Auch Lohnfortzahlung sind im Gesetz nicht geregelt. Es bestehen Überlegungen, diese, wie auch beim vergleichbaren Erziehungsurlaub, z.T. durch den Staat zu finanzieren.

Sinkenden Geburtenraten sind eine andere Ursache für die Überalterung der Bevölkerung und ein Indiz dafür, daß nicht mehr die Kinder für die Zukunftssicherung als verantwortlich erachtet werden. Durch diese Erkenntnis und das beschriebene geänderte Rollenbild der Frauen, z.B. dem Streben nach einer Verwirklichung im Beruf, werden die Familien immer kleiner. Die Förderung von Familien wird in einem Maßnahmenkatalog, dem "Angel Plan", festgehalten. Dieser betrifft vor allem Maßnahmen gegen die berufliche Diskriminierung der Frauen, den Ausbau der Kindergartenplätze und die Verbesserung der Bedingungen für Erziehungs- und Pflegeurlaube. Um die Väter mehr in die Erziehung einzubeziehen, sollen die täglichen Arbeitszeiten gekürzt werden.

4.2.2. Stationäre und ambulante Versorgung

Neben den staatlichen Altenheimen für ältere einkommensschwacher Behinderte, welche nicht zu Hause versorgt werden können, und für "normale" Senioren, gibt es spezielle Altenpflegeheime, in erster Linie für ans Bett gebundene, pflegebedürftige Senioren. Die etwa 2400 Spezialpflegeheime hatten 1994 eine Bettenkapazität von etwa 182.000 bei einer Zahl von ca. 2 Mio. Pflegebedürftigen.

Das Angebot an häuslicher Altenpflege durch "Home Helper", welche am Anfang für die sozial Schwachen vorgesehen waren, ist im Vergleich zu den westlichen Industrieländern unterentwickelt: 1994 gab es gerade einmal 20 Helfer pro 100.000 Einwohner (Skandinavien: ca. 800-900).

Das MHW schätzte, daß es 1990 etwa 700.000 alte, bettlägerige Pflegefälle gab, von welchen 23% in Spezialpflegeheimen, 36% in (Alten-)Krankenhäusern, 7% in sogenannten Gesundheitseinrichtungen und 34% zu Hause untergebracht waren. Der "Gold Plan" von 1989 soll die ambulante und stationäre Pflege verbessern und die Kosten der Krankenversicherung (Altenkrankenhäuser) auf die sozialen Wohlfahrt umverteilen. Der Plan sieht eine Erweiterung der Kapazitäten auf 240.000 Betten bis 1999 vor. Die Anzahl der Home Helper soll auf 90 pro 100.000 und die Zahl der wöchentlichen Besuche von zwei auf sechs erhöht werden. Dies wird aber noch lange nicht die Versorgungslücke schließen, da bedingt durch die Überalterung der Gesellschaft die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird. Aus diesem Grunde wird in Japan wie in Deutschland eine Pflegeversicherung eingeführt werden, welche z.T. über höhere Verbrauchssteuern finanziert wird. Durch die geplanten Ausweitungen der mobilen Pflegedienste können Senioren in ihrer gewohnten Umgebung verweilen und die Familien übernehmen den überwiegenden Teil der Pflege. Dadurch können Kosten des Gesundheitswesens - zu ungunsten der Familien - eingespart werden.

Eine andere Entlastungsmöglichkeit der Familien sind seit 1978 Kurzaufenthalte der Senioren in Altenheimen. Sie sind bis zu vier mal sieben Tage im Jahr möglich und sollen auf sechs mal erhöht werden. Die Tagespflege ("day-care-center") bietet - auf zwei- bis dreimal in der Woche beschränkt - Angebote zur Freizeitbeschäftigung sowie kleinere Pflegedienstleistungen (z.B. Baden) an. Auch hier ist eine Ausweitung in den kommenden Jahren geplant. Clubs für Alte (rójin kurabu) werden vom MHW gefördert und autonom auf kleiner regionaler Basis geführt. Sie bieten einfache Gesundheitsberatung, allgemeine Altenberatung und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten an.

Um den durch die Überalterung bedingten hohen Kostenanstieg sowie das Leistungsbilanzdefizit zu Dämpfen kamen die Bürokraten des Ministeriums für Außenhandel und Industrie (MITI) 1986 auf die interessante Idee (Silver Columbia Plan) für ältere Menschen "Ruhestandsdörfer" im warmen, kostengünstigeren Ausland (z.B. Australien, Spanien oder Brasilien) aufzubauen. Dieser Plan wurde vor allem im betroffenen Ausland mit Proteste und Hohn aufgenommen und wurde - als Mißverständnis - wieder fallengelassen. Diese Überlegungen wurde jedoch nicht völlig aufgegeben sondern es wurde 1988 ein Bericht mit dem Titel "Verlängerte Ferienaufenthalte im Ausland" herausgegeben, welcher Informationen und Empfehlungen für den Aufbau von Ruhestandssiedlungen enthält.

4.2.3. Freiwillige im Sozialen System

Da Japan nicht die Möglichkeit hat, wie in Deutschland Zivildienstleistende für die soziale Versorgung einzusetzten, ist das soziale System auf die Mithilfe von Freiwilligen angewiesen, welche in vielerlei Formen existieren. In Japan wird versucht die auf den bäuerlichen Dorfgemeinschaften aus der vorindustriellen Zeit beruhenden nachbarschaftlichen Netzwerke, welche in der Meiji-Restauration formal abgeschafft wurden, zu reaktivieren. Nachbarschaftsvereinigungen (chónaikai oder jichikai) sind durch ihre Funktion als unterstes administratives Organ und gleichzeitig als Interessenvertretung der Bürger als "janusköpfig" charakterisierbar. Ihre Einbeziehung, z.T. auch als "Wahlunterstützungsvereine", ist nicht unumstritten, da sie in den 30er Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieg zur politischen Indoktrinierung mißbraucht wurden. Die Nachbarschaftsvereinigungen übernehmen kostengünstig Gemeinschaftsaufgaben, welche in anderen Ländern vom Staat oder Kommunen übernommen werden (z.B. Straßenreinigung, Verkehrssicherheitskampagnen, Erdbebenübungen und abendliche Feuerpatrouillen). Bei nächtlichen Rundgängen werden z.T. auch die Zahl und der Zustand der Obdachlosen registriert und diesen z.T. konkrete Hilfe gewährt.

Für die Pflege von alten oder kranken Familienangehörigen (s.o.) werden die sogenannten "häusliche Helfer" (hómu herupá) eingesetzt, um die Familien bei der häuslichen Pflege zu unterstützen. Bei diesen Freiwilligen handelt es sich überwiegend um rüstige Alte und Frauen im mittleren Alter, welche nach der Erziehung ihrer Kinder eine neue Aufgabe suchen. Seit den 70er Jahren werden Hausfrauen und Studenten als Volunteers (borantia katsudó) nach amerikanischen Vorbild unterstützend im Pflegebereich eingesetzt. Um Freiwillige zu gewinnen wird diesen eine Aufwandsentschädigung bezahlt, die vergleichbar mit Löhnen für Aushilfsarbeiten ist.

Eine andere Gruppe von Freiwilligen sind die "ehrenamtlichen Wolfahrtspfleger" (minsei iin), deren Zahl in den 80er Jahren von 169.068 (1980) auf 183.321 (1990) Personen erhöht wurde. Die minsei iin, mit einem Durchschnittsalter von etwa 58 Jahren, werden von den Präfekturgouverneuren für drei Jahre ernannt. Sie erhalten eine spezielle Ausbildung und eine knapp bemessene Aufwandsentschädigung. Sie stellen einen Kontakt zwischen den Bewohnern und den Sozialbehörden her um kommunale Wohlfarhtsaktivitäten zu organisieren und leisten instrumentelle und kognitive Beratung und Unterstützung. Üblicherweise richten sich Betroffene zuerst an die minsei iin, bevor sie sich an die Sozialbehörde wenden und so einen sozialen Abstieg eingestehen. Durch das Vorhandensein dieser semi-professionellen Helfer wurden die sozialen Kosten gesenkt, jedoch wurde die Entwicklung einer professionellen Sozialarbeit verschleppt. Heute ist nur eine geringe Anzahl von Sozialarbeiter tätig und die kommunalen Sozialämter mit Verwaltungsamten auf Zeit besetzt sind, die sich nicht mit der Problematik der sozial Benachteiligten identifizieren können.

An dieser Stelle ist zu erwähnen, das die privaten Wohlfahrtstätigkeit, wie sie in westlichen Ländern üblich ist, nur in Form des Roten Kreuzes gibt. Es gibt somit keine (kirchlichen) karitativen Wohlfahrtsverbände oder private soziale Stiftungen, welche "soziale Dienstleistungen in einem Zwischenfeld von Staat, Professionalität und Ehrenamt erbringen." So sind es auch vornehmlich die kleinen christlichen Glaubensgemeinschaften, die in japanischen Elendsvierteln präsent sind.

 

4.3. Gesetzliche Rentenversicherung

4.3.1. Rentenversicherungssytem

Das Rentenversicherungssystem hatte für die unterschiedlichen Berufsgruppen verschiedene Versicherungen. Diese können in drei Gruppen unterteilt werden:

Der Strukturwandel der Wirtschaft und die Alterung der Gesellschaft war bei den Rentenversicherungen deutlich spürbar. Mitte der 50er Jahre waren 40% der japanischen Erwerbsbevölkerung in Angestelltenverhältnissen und 60% als Selbständige oder in der Landwirtschaft beschäftigt. Bis 1984 kehrte sich das Verhältnis um: Nur noch 30% waren selbständig oder im Agrarsektor beschäftigt und 70% waren Angestellte. Dieser Wandel bedeutete, daß zur gleichen Zeit die Anzahl der Rentner unter den Selbständigen und Bauern anstieg und die Zahl der Versicherten abnahm. So entwickelten sich die Reifegrade, d.h. das Verhältnis zwischen Leistungsempfängern und Versicherten, der verschiedenen Rentensysteme sehr unterschiedlich: 1992 war z.B. der Reifegrad der Rentenversicherung der ehemaligen Staatsbahn 169%. Im Gegensatz dazu hatte die ARV, die mit ca. 32 Mio. Arbeitnehmern größte Versicherung, einen Reifegrad von nur 15,6%. Aus diesem Grunde wurde das Rentensystem 1986 reformiert und ein Finanzausgleichssystem geschaffen, welches für den Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Systemen sorgen soll. Außerdem wurde ein zweigeteiltes Rentensystem, bestehend aus einer Grundrente und einer einkommensabhängigen Rente, eingeführt.

Ein anderes Problem war, daß durch mangelnde Abstimmung zwischen den verschiedenen Systemen zu Unausgewogenheiten führende Überlappungen entstanden. Z.B. war es öffentlichen Angestellten möglich nach Antritt des Ruhestandes in einem privaten Unternehmen zu Arbeiten und neben dem Gehalt eine Rente zu beziehen. Dies bedeutet in Extremfällen, z.B. wenn beide Eheleute in der ARV versichert waren, daß ein durchschnittliches Angestellteneinkommen überschritten wurde.

Das Pensionsalter war bis zur Rentenreform bei Männern 60 und bei Frauen 55 Jahre und sollte einheitlich auf 65 angehoben werden. Es galt aber eine unbefristete Übergangsmaßnahme welche die Regelung real außer Kraft setzte. Ein Gesetzentwurf aus dem Jahre 1989, welcher die schrittweise Anhebung des Rentenalters verbindlich regeln sollte wurde aufgrund von Protesten vor allem der Gewerkschaften nicht verabschiedet, da das durchschnittliche betriebliche Pensionsalter unter 60 Jahren lag und das Gesetz keine Regelung für diese Übergangsjahre beinhaltete. 1994 wurde im Rahmen der turnusmäßigen Rentenanpassung die sukzessive Erhöhung des Rentenalter der männlichen Versicherten ab 2001 alle 3 Jahre um jeweils ein Jahr bis ins Jahr 2013 beschlossen. Für Frauen beginnt diese Erhöhung fünf Jahre später. Dann werden alle Rentensysteme das gleiche Pensionsalter und auch das gleiche Niveau der anderen OECD-Länder erreicht haben.

4.3.2. Grundrente

Seit der Rentenreform 1986 haben alle Japaner über 65 unabhängig vom bisherigen Einkommen einen Anspruch auf eine Grundrente. Dabei ist eine Aufgabe der Beschäftigung nicht zwingend. Die Grundrente entspricht der NRV und ist für jeden Einwohner zwischen 20 und 60 zwingend. Schüler, Studenten, Empfänger einer Altersrente (aus einer Rentenversicherung für Arbeitnehmer zwischen 60 und 65) sowie japanische Bürger mit ausländischem Wohnsitz können sich freiwillig in der NRV versichern. Diese Grundrente richtet sich nach der Beitragsdauer, die mindestens 25 Jahr betragen muß. Die volle Grundrente erhält ein Rentner nach 40 Beitragsjahren. Die genaue Pensionsberechnungsformel bei einer Pensionsgewährung mit 65 Jahren war 1991:

660.000 * Monatsbeitragszeiten + Ersatzzeiten * 1/3
40 * 12 (Zahl der Monate)

So betrug die maximale Grundrente, welche sechsmal im Jahr ausbezahlt wurde, im Jahre 1991 ¥111.000. Die Rente wird entsprechend der Inflationsrate jedes Jahr angepaßt und stieg bis Ende 1994 auf ¥130.000. Es besteht auch die Möglichkeit, die Rente schon ab den 60. bzw. erst ab dem 70. Lebensjahr zu beziehen, dann sinkt die Grundrente auf 58% bzw. steigt auf 188% der Normalrente. Auch nichterwerbstätige Ehefrauen erhalten wie ihr Ehemann eine Grundrente. Daher gibt es bei der NRV auch keine Hinterbliebenenrente für die Ehefrau. Wenn ihr Partner stirbt, fällt dessen Rente vollkommen weg. Für Personen, welche zur Zeit der Einführung der NRV im Jahre 1961 bereite älter als 50 Jahre alt waren, gibt es ab dem 70. Lebensjahr eine beitragsfreie Altersfürsorgepension, wenn er oder seine von ihm unterhaltene Familie ein bestimmtes Mindesteinkommen unterschreitet. Sie ist nicht besonders umfangreich und wird als Taschengeld für alte Menschen bezeichnet.

Es gibt drei Versichertenkategorien:

Für die erste Kategorie, speziell für die Selbständigen sowie deren unterhaltsabhängigen Ehegatten, ist die Zahlung eines pauschalen, einkommensunabhängigen Beitrags (1990: ¥8.400) Pflicht. Es bestehen mehrere Ausnahmeregelungen, welche die Versicherten niedriger Einkommen von Beiträgen befreit. Es gibt keine Meldepflicht und keine lückenlose Erfassung aller Versicherungspflichtigen, so ist es möglich, aus anderen Gründen die Beitrageszahlungen zu "versäumen". Eine Schätzung von 1990 beziffert den Ausfall mit 28%, 12% wegen Ausnahmen und 16% wegen Nichtzahlungen.

Bei den Arbeitnehmern der 2. Kategorie werden die Beiträge über einen Finanzausgleich finanziert: Nach ihren Mitgliedszahlen zahlen die Rentenversicherungen in eine gemeinsame Kasse und erhalten aus ihr die Summe, welche sie für die jeweiligen eigenen Rentnern benötigen. Somit wird die NRV nach der Rentenreform von 1986 heute von allen Versicherungsträgern getragen. Ein Drittel der Finanzierung und die Verwaltungskosten übernimmt der Staat.

Nichterwebstätige Ehegatten der in der ARV und HVG Versicherten, sind über die Versicherung des Ehepartners automatisch Mitglieder. Im Falle einer Scheidung müssen sich Nicht-Berufstätigen selbst als Pflichtmitglieder versichern.

4.3.3. Einkommensabhängige Rente

Zusätzlich zur Grundrente erwerben sich die in der ARV oder den HVG versicherten Angestellten einen Rentenanspruch, der wie die Beitragszahlungen einkommensabhängig ist. Eine Versicherungspflicht besteht für einkommensabhängige Beschäftigte im Betrieb einer juristischen Person mit mindestens einem und in sonstigen Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern. Ausgenommen von der Versicherungspflicht sind Arbeitnehmer mit auf zwei und bei Saisonarbeit auf vier Monate befristeten Arbeitsverträgen sowie Tagelöhner. Ebenso sind Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und einige andere Betrieben in der Gastronomie, von Rechtsanwälten u.ä. ausgenommen, sofern diese nicht als juristische Person organisiert sind. Diese Arbeitnehmer können freiwillig durch einen Antrag beim Präfekten versichert werden. Da die Einkommenshöhe nicht ausschlaggebend für die Versicherung ist, sind in Japan nach der Rechtsprechung auch die Direktoren und Vorstandsmitglieder des Vorstandes pflichtversichert, die für ein regelmäßiges Einkommen bekommen.

Die Leistungen der Versicherungen entsprechen in etwa zwischen 30% und 42% des (aufgewerteten) Durchschnittsgehalts während des Versicherungslebens eines Versicherten. Dabei fallen die Renten des öffentlichen Dienstes etwas höher aus als die der Privaten. Zusammen mit der Grundrente erreichen sie so eine Kompensationsquote von etwa 68% des durchschnittlichen Bruttomonatslohnes. Bei Rentnern entfallen Steuern und Abgaben fast völlig, so daß eine Quote von etwa 80% erreicht wird. Hinzu kommt ein Unterhaltszuschuß für Angehörige (Lebensgatten, Lebensgefährten, Kinder unter 18 Jahren), bis diese das Pensionsalter erreicht haben.

Neben dem Grundrentenanspruch hat eine Witwe nach dieser Rentenreform Anspruch entweder auf ihre eigene Rente, auf ¾ der Rente ihres verstorbenen Ehemannes oder neuerdings auch auf eine Mischform. Dies wurde eingeführt, um die von der Frau angehäuften Rentenansprüche aufzuwerten, da im Normalfall die Rente des Mannes übernommen wurde, weil diese i.d.R. die der Frau trotz des Abzug von 25% noch überstieg. Auch ist eine nachträgliche Korrektur der Rentenansprüche bei einem Versicherungswechsel oder einer Scheidung heute möglich.

4.3.4. Rentenabsicherung von Tagelöhnern

Tagelöhner werden nicht bei der NRV pflichtversichert. Für "freie" Bauarbeiter besteht ein staatliches Pensions- und Wohlfahrtssystem. Die Arbeiter müssen für jeden geleisteten Arbeitstag in ein spezielles Heft eine gebührenpflichtige Marke einkleben. Die Tagelöhner können dann eine einmalige Abfindung beziehen, welche sich nach den geleisteten Monaten richtet (Die Mindestarbeitszeit sind 24 Monate mit jeweils 21 Arbeitstagen). Wenn die entsprechenden Dokumente fehlen, Sozialhilfe notwendig wird oder der Tagelöhner krank wird bzw. sich verletzt, stehen halbstaatliche Beratungsämter zur Verfügung, welche bei Anerkennung eines Anspruches eine entsprechende Anweisung oder Überweisung ausstellen können. Durch diese geringe Absicherung im Alter und durch die mangelnden Möglichkeiten während ihres Erwebslebens Vermögen anzuhäufen, müss(t)en Tagelöhner auch im Alter arbeiten. Allerdings sinkt ihre Chancen einen Arbeitsplatz zu finden, da es sich zumeist um harte körperliche Arbeit handelt. Auch sind die familiären Bindungen der Tagelöhner oft zerstört, so daß viele nicht von ihren Kindern im Alter versorgt werden können.

 

4.4. Sonstige Vorsorge im Alter

Die Leistungen aus Grundrente und erwerbsabhängigen Rente reichen oft nicht aus, um den im Erwebsleben erreichten Lebensstandart aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grunde müssen die Erwebstätigen sich selbst zusätzlich absichern oder sie müssen nach ihrer Pensionierung weiterhin arbeiten. Von größeren Unternehmen werden z.T. betriebliche Renten oder Abfindungen angeboten.

4.4.1. Betriebliche Alterssicherung

Lebenslange Beschäftigung bedeutet nicht die Erwerbstätigkeit bis zum Tode. Die Unternehmen haben - gesetzlich nicht geregelte - fixierte betriebliche Altersgrenzen (teinen). Nach Erreichen dieses Alters ist ein beruflicher Aufstieg für den überwiegenden Teil der Stammbelegschaft unmöglich, ihnen wird tatsächlich gekündigt oder sie werden auf eine niedrigere Stellung in einem Tochterunternehmen versetzt. Mit wachsender Größe des Unternehmens steigt die Anzahl dieser Altersgrenzenregelung. Die teinen-Grenze lag bis Anfang der 70er bei etwa 55 Jahren, also Jahre vor dem Einsetzen der staatlichen Rentenversicherung, und wurde erst angehoben, als die Arbeitskräfte knapp wurden. Politisch wurde versucht durch Teilübernahme der Weiterbeschäftigungsbezüge eine Erhöhung zu erreichen. Nach der Rentenreform 1986 wurde das Rentenanspruchsalter auf 65 und die betriebliche Altersgrenze gesetzlich auf mindestens 60 erhöht, jedoch wurden keine Sanktionen bei Nichtbeachtung festgelegt. Noch 1986 lag das betriebliche Rentenalter bei ca. 43% der großen Unternehmen unter 60 Jahren. Bis 1993 hatte sich diese auf 20% verringert, doch besteht bei vielen Unternehmen Programme zur vorzeitigen Pensionierung, z.T. schon ab 50 Jahren. Im gesamtwirtschaftlichen Schnitt lag das teinen-Alter 1990 hingegen bei etwa 57 Jahren.

Um den Lebensstandart der Beschäftigten nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb bis zum Beginn der regulären Rente zu sichern, erhalten die Pensionäre größerer Betrieben einmalige Abfindungen, betriebliche Renten oder eine Mischform. Die pauschale Abfindungen (taishokukin) richten sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und nach dem letzten monatlichen Einkommen - welches sich auch nach der Betriebszugehörigkeit richtet. Dieses Verfahren ist eine Erklärung für die geringe zwischenbetriebliche Mobilität, da durch einen Stellenwechsel die über Jahre erarbeiteten Vorteile verloren gehen würden. Große Unternehmen bezahlen 1992 ihren Angehörigen nach 35 Jahren Betriebszugehörigkeit etwa das 40fache des letzen Monatsgehaltes.

1991 waren ca. 35% der Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft in ein System betriebliche Renten eingebunden. Für Unternehmen mit mehr als 700 Arbeitnehmern besteht mit der Einwilligung des Sozialministers die Möglichkeit einen Sozialpensionsfond zu errichten. Die betriebliche Rente, welche die Rentner anstelle der staatlichen Rente erhalten, muß 30% höher sein als die gesetzliche erwerbsabhängige Rente. Die Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, diese Rente der Preis- und Lohnentwicklung anzupassen. Der Staat ersetzt die durch die Anpassung der staatlichen Alterspensionen entstehenden Einbußen. Arbeitgeber, welche die oben genannten Bedingungen nicht erfüllen, können mit behördlicher Genemigung über Lebensversicherungsgesellschaften oder Kreditinstitute eine betriebliche Altersversorgung abschließen. Die Prämien können als Betriebsausgaben steuerlich abgesetzt werden. Die Senioren erhalten eine sogenannte "anerkannte" Pension, meist nur für einen bestimmten Zeitraum von 5 bis 10 Jahren (Renten dieser Art bis zum Lebensende sind selten).

Bis 1961 waren reine Abfindungszahlungen üblich, dann wurden von den - vor allem größeren - Unternehmen immer häufiger betriebliche Renten oder gemischte Systeme angeboten. Im Jahre 1985 hatten über 70% der Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern Mischsysteme eingeführt, 10,1% zahlten monatlche Renten und nur 18,1% pauschale Abfindungen. Bei kleineren Unternehmen mit zwischen 30 und 99 Beschäftigten sind Abfindungen mit etwa 60% noch die häufigste Variante. Insgesamt wurden 1990 noch etwa 50% der Beschäftigten durch pauschale Zahlungen abgefunden. Eine Umstellung von Abfindungen zu betrieblichen Renten liegt im Interesse der Arbeitnehmer, da so eine größer Versorgungssicherheit gewährleistet wird. Die Abfindungen haben gegenüber Renten den Vorteil, daß sie einer niedrigeren Steuer unterliegen und die Pensionäre eigenverantwortlich durch gewinnbringende Anlage inflationsbedingte Renteneinbußen entgegenwirken können.

4.4.2. Sparquote und Erwerbstätigkeit im Alter

Aufgrund dieser Unsicherheit nach Erreichung des Rentenalters ist es nicht verwunderlich, daß die Erwerbstätigkeit der über 65jährigen (24,9%) und die Sparquote (16%) in Japan im Vergleich zu anderen Industrieländern ungewöhnlich hoch ist. Dies hängt auch mit dem vergleichsmäßig jungen japanische Rentensystem zusammen, welches erst ab 1961 auf breiter Basis für alle Erwerbstätigen eingeführt wurde. Viele der bisherigen Pensionären blieben durch zu kurze Rentenanwartschaften unter den Vorgaben und erhielten geringere Renten. Dieser Zustand wird sich langsam ändert und das entsprechende Spar- und Arbeitsmotiv wird sich voraussichtlich abschwächen: Die Zahl der arbeitenden über 65jährigen hat sich von 1973 bis 1993 von 46,6% auf 37,7% abgeschwächt.

Um die Erwerbstätigkeit im Alter zu fördern, gewährt der Staat Subventionen bei der Einstellung von älteren Mitarbeitern und bei der Weiterbeschäftigung über die obligatorische betriebliche Altersgrenze hinaus (z.B. durch das "Gesetz zur Stabilisierung der Beschäftigung der Alten"). Einer Umfrage der Management und Coordination Argency zufolge ist diese Politik nicht sehr erfolgreich: 1993 boten nur etwa 30% der befragten Unternehmen ein allgemeines Angebot zur Weiterbeschäftigung an, wobei häufig nur bestimmte (erwünschte) Berufsgruppen angesprochen wurden. Ein Grund neben der Lohnkostenerhöhung ist, daß die Verschiebung der teinen eine Blockade der Karriereleiter nach sich zieht. Bei kleineren Unternehmen sind die allgemeinen Angebote mit 36% umfangreicher als bei großen (9%). Große Unternehmen bieten z.T. eine Weiterbeschäftigung zu neuen - schlechteren - Konditionen an. Die Löhne liegen dann i.d.R. unter den letzten Monatslöhnen und die Arbeitnehmer sind nur noch Mitglieder der Randbelegschaft (shokutaku). Die Arbeitnehmer werden auch häufig durch Vermittlung ihres bisherigen Arbeitgebers in anderen Unternehmen untergebracht. Auch besteht die Möglichkeit eigens ein Tochterunternehmen zu gründen, für welches höhere staatliche Subventionen beansprucht werden können als für ein großes Unternehmen.

Die hohe Identifikation mit der Unternehmung, welche durch die "lebenslange Beschäftigung" beabsichtigt worden war, ist für die, welche im Alter eine neue Arbeit annehmen müssen, ein "emotionales" Problem. Die Stellung in einem kleineren Unternehmen stellt i.d.R. einen sozialen Abstieg dar und sie verlieren teilweise die über ihr Berufsleben geknüpften Beziehungen. Für ältere Arbeitnehmer ist es problematisch eine adäquate Stellung zu finden, da sie durch die spezielle betriebliche Ausbildung auf die Abläufe ihrer ehemalige Anstellungen spezialisiert waren und in kleineren Unternehmen ein breites Wissen erforderlich ist. An ihren neuen Arbeitsplätzen erhalten sie häufig nur einjährige Kontrakte, welche nach Ablauf dieser Frist jederzeit aufgekündigt werden können. Wenn sie ihre zweite Stelle aus Altersgründen z.B. etwa mit 60 Jahren aufgeben müssen, bedeutet eine dritte Anstellung einen weiteren Abstieg auf der Lohn- und Ansehensleiter.

Die Höhe der Rente ist ein anderes entscheidendes Faktum für die weitere Erwerbstätigkeit. Die mit der Größe des Unternehmens ansteigenden Löhne wirkten sich bei der regulären einkommensabhängigen Renten von ARV und HVG und auch durch die von der Unternehmensgröße abhängigen betrieblichen Renten oder Abfindungen aus. Dadurch öffnet sich die soziale Schere bei den Rentnern noch stärker als bei den Angestellten. Für diese bevorzugten Senioren bestehen während ihres Berufsleben bereits größere Möglichkeiten zum Sparen, da sie höhere Gehälter beziehen.

Die genaue Erfassung der Erwerbslage von alten Menschen wird durch die teilweisige Ausklammerung von bei ihren Kindern lebende Senioren erschwert. 1989 ergab eine Untersuchung, daß erwerbstätige Seniorenhaushalte etwa ¥450.000 zur Verfügung hatten. Dies ist weniger als ein Durchschnittshaushalt der 25-49jährigen. Wenn jedoch berücksichtigt wird, daß diese Haushalte kleiner sind und zudem weniger Steuern und Abgaben bezahlen müssen, so verfügen sie pro Kopf effektiv über mehr Geld als 25-29jährige Haushalte. Die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit haben sich dabei anteilsmäßig seit den 70ern gegenüber den Rentenleistungen umgekehrt: War der Anteil des Erwerbseinkommen zwischen 1976 und 1989 von 45% auf 33% zurückgegangen, stieg der Anteil der staatlichen Renten von 33% auf über 50% an. Damit liegt der Schluß nahe, daß mit dem Ausbau des staatlichen Rentensystems die Notwendigkeit zur Erwerbsarbeit abnimmt. Trotz dler Verbesserungen ist noch immer bei vielen die weitere Erwerbstätigkeit nötig, da auch 1993 die durchschnittlichen Rentenleistungen (¥216.000) deutlich unter den durchschnittliche Lebenserhaltungskosten (¥300.000) lagen. Wichtigste Vermögensteile zur Alterssicherung sind Grundstücke, welche sich 90% der älteren Haushalte angeeignet haben als die Bodenpreise noch niedriger waren. Junge Japaner müssen z.T. hohe Hypotheken für Grundstückskäufe aufwenden, was durch die Schuldenlast die relative Einkommenssituation zugunsten der Alten verbessert.

Nicht für alle bedeutet das Erreichen der teinen einen Ausstieg aus dem Berufsleben oder einen Abstieg auf der Karriereleite.: Für höhere Manager eines großen Unternehmens, Beamte oder Professoren kann nach dem Ausscheiden aus dem bisherigen Betrieb ein Karriereaufstieg folgen. Ein Manager aus einem großen Betrieb kann nach erfolgreicher Laufbahn auf einen Posten als Präsident oder Direktor in einem Tochterunternehmen oder einem kleinerem Betrieb der gleichen Branche wechseln, in welchem er seine Erfahrungen und Beziehungen entsprechend einsetzen kann. Wechsel von hohen Beamten aus MITI, MoF, dem Verkehrsministerium o.ä. in private Unternehmen wird als amakudari, als Abstieg vom Himmel, bezeichnet. Die Beamten werden z.T. schon frühzeitig umworben und ein entsprechender Posten in Aussicht gestellt. Die Beziehungen des Beamten innerhalb der Ministerialbürokratie können genutzt werden und die Betriebe versprechen sich einen günstigeren Umgang mit den Ministerien. Für Professoren der staatlichen Universitäten besteht die Möglichkeit, als Aushängeschild einen gut dotierten Posten an einer privaten Universität zu übernehmen.

4.4.3. Selbstständigkeit im Alter

Selbstständige und andere nur über die NRV versicherte Erwerbstätige müssen, wenn sie keine Ersparnisse angehäuft haben, über das Rentenbezugsalter von 65 Jahren weiterarbeiten. Die ab dem 65 Lebensjahr ausbezahlte Grundrente von etwa ¥65.000 (1994) kann die durschnittlichen Lebenserhaltungskosten nicht decken, selbst wenn beide Ehepartner eine Grundrente beziehen. Die Zahl der Erwerbstätigen dieser Gruppe nimmt mit zunehmendem Alter nur unwesentlich ab ( siehe Tabelle). Über dem 70 Lebensjahr gab es insgesamt noch 1,76 Mio. Erwerbstätige, so daß der Anteil der Selbstständigen (speziell davon ein Drittel in der Landwirtschaft) überproportional groß ist.

Altersgruppe 55-59 60-64 65-69 über 70
Anzahl >1 Mio. ca.1 Mio. 840.000 810.000

Abfindungen werden nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb häufig zur Alterssicherung durch den Erwerb eines Mietshauses oder eines kleines Geschäftes verwendet. Teile der Abfindung werden z.T. schon in der Vergangenheit als Kredit zum Bau, Erwerb oder Renovierung eines Eigenheims in Anspruch genommen oder werden für die Schulausbildung der Kinder benötigt. Diese kleinen Geschäfte befinden sich häufig im Zuliefer-, Dienstleistungs- oder Distributionsgeflecht ihrer bisherigen Arbeitgeber, welche ihnen bei der Errichtung dieser neuen Existenz helfen.

Die Nachteile dieser Art von Alterssicherung kamen bei dem Erdbeben von Kobe im Januar 1995 deutlich zum Vorschein. Die Hauptbetroffenen der Katastrophe waren die alten Bezirke: Kleinbetiebe (Haupterwerbsquelle im Alter) und Häuser (wertvollster Besitz) waren zerstört. Diese Menschen verloren Hab und Gut und erhielten Notunterkünfte, welche für die zur Endstation wurden, welche nicht zu Verwandten ziehen konnten oder andere Ersparnisse hatten.

Eine andere Erklärung der hohen Erwerbsquote bei den über 65jährigen ist deren hoher Anteil in der Landwirtschaft. Die Quote im primären Sektor (35%) lag 1985 deutlich über der Quote aller Erwerbstätigen (11%). Dies ist einerseits die Folge der Abwanderung der jüngeren Bevölkerung in die Städte, andererseits kommen ältere Japaner häufig nach dem Ende ihrers Arbeitslebens zurück auf die Familiengüter, z.T. um Subventionen oder Steuervergünstigungen nicht zu verlieren.