Seit 1970 hat sich das Volkseinkommen in Japan versechsfacht. Die Gewinnquote sank von 47% auf 26% und die effektive Lohnquote stieg von 53% auf 74% (BRD: Von 68% auf 71%). Bedingt wurde dies durch das Anwachsen der Arbeitnehmerschaft (+53%) und die sinkenden Zahl der Selbständigen: Die bereinigte Lohnquote (Erwerbstätigenstruktur von 1970) stieg nur um 8% auf 61% an (BRD: 66%). So haben die Japaner im beobachteten Zeitraum gegenüber Deutschland, welches nach der bereinigten Quote sogar Abstriche machen mußte, verteilungspolitisch deutlich aufgeholt und liegen nach der bereinigten Lohnquote fünf Prozentpunkte unter deutschem Niveau.
Die Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit stiegen im Beobachtungszeitraum nominal um 738% an, während die Gewinne nur um 239% anstiegen (BRD: 317% bzw. 261%). Das durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen stieg wegen des Arbeitskräfteanstieg und der Selbständigenabnahme "nur" um 652% (BRD: 240%). Die Konsumpreise stiegen in diesem Zeitraum um 204% und die Abgabenlast von 19,7% auf 29,1%. Folglich stiegen die realen Nettoentgelder um 116,5%, in Deutschland sind im gleichen Zeitraum die Nettolöhne nur um 29% gestiegen.
Japan | BRD (West) | |
Arbeitstage | 252,5 | 251,9 |
- Urlaubstage | 10,4 | 30,2 |
= tarifliche Arbeitstag | 242,1 | 221,7 |
* Tägliche Arbeitsz | 7,9 | 7,4 |
= tarifliche Arbeitszeit | 1902,9 | 1640,6 |
- Ausfallstunden | 17,3 | 112,6 |
+ Überstunden | 172,4 | 58,6 |
= tatsächliche Arbeitszeit | 2058,0 | 1586,5 |
Um die Erhöhung der Stundenlöhne zu ermitteln, müssen die jährlichen Arbeitsstunden ermittelt werden (siehe Tabelle). Samstagsarbeit entspricht bei kleinen und bei 50% der mittleren Unternehmen der Normalität. Die japanische Überstunden müßten in dieser Beziehung eigentlich kritisch durchleuchtet werden, dies würde allerdings den Rahmen der Arbeit sprengen. Ob die betrieblichen Ferien, welche zumindest größere Unternehmen i.d.R. zweimal im Jahr machen und in Japan im Gegensatz zu Deutschland nicht in die beanspruchten Urlaubstage einfließt, in der Berechnung der japanischen Metallgewerkschaft (IMF/JC), beachtet wurden, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. Die Arbeitszeitverkürzungen sind auf die Lohnsteigerung umzurechnen. Die Arbeitszeit seit 1970 ist in dieser Quelle nicht verfügbar, dürfte sich in Deutschland stärker als in Japan auf die Lohnsteigerungen ausgewirkt haben (1980-1991: Japan -2 BRD (West) -8).
Japan | Deutschland | ||||
Gesamt | |||||
Rentenversicherung | 14,5 | 7,25 | 7,25 | - | 20,3 |
Krankenversicherung | 8,85 | 4,43 | 4,43 | - | 13,5 |
Unfallversicherung | 2,5 | - | 2,5 | - | 3,9 |
Arbeitslosenversicherung | 1,25 | 0,45 | 0,45 | 0,35 | 6,5(+1,7) |
Gesamt | 27,1 | 12,13 | 14,63 | 0,35 | 44,2(45,9) |
Tabelle 7: Sozialversicherungsbeiträge in Japan und in Deutschland.
Die Beiträge der japanischen Sozialversicherungen sind etwa 1/3 niedriger als in Deutschland. Bedingt wird dies z.T. durch die von den Politikern betonte "Eigenverantwortung", d.h. die Verantwortung der soziale Sicherung wird stärker auf die Bürger verlagert.
Wie auch bei der Rentenversicherung ist das System der japanischen Krankenversicherung auf eine stärkere Eigeninitiative der Versicherten ausgelegt. Durch die Selbstbeteiligung achten die Patienten genauer auf die anfallenden Kosten und kontrollieren die Mediziner: Sie verhandeln über die Kosten und vermeiden überflüssige Arztbesuche. Zwischen den medizinischen Einrichtungen entsteht ein für das Gesundheitswesen kostendämpfender Wettbewerb. Die Beitragssätze können mit 8,85% deutlich unter deutschen Niveau (14,5%) gehalten werden. Zur Abdeckung der Eigenbeteiligung kann eine private oder eine betriebliche Zusatzsicherung abgeschlossen werden. Kritisch zu betrachten ist der - durch das Dispensionsrecht - relativ hohe Anteil der Arzneimittel an den Gesamtausgaben.
Bei den Gesundheitsausgaben ist eine Kostenerhöhung durch die demoskopischen Veränderungen zu erwarten (z.B. Altenkrankenhäuser). Der "Gold Plan" sollten durch den Ausbau des Systems der Altenversorgung die Kosten der Krankenversicherungen auf die soziale Wohlfahrt übergewälz.
Im System der NKV - mit vielen älteren und schlechter verdienenden Versicherten - sind die Selbstbeteiligungen höher als bei den anderen Versicherungen. Dies hat zur Folge, daß ärmere Versicherte Arztbesuche vermeiden um zu sparen. So können nötige Untersuchungen und Vorsorgeuntersuchungen ausbleiben und hohe Folgekosten entstehen, da Krankheiten zu spät erkannt werden.
Die steigende Überalterung stellt die japanische Gesellschaft zunehmend vor Probleme. Die japanisch Regierung reagiert auf dieses Problem vor allem dadurch, daß sie stärker die "japanische Tugenden" betont, um so die private Versorgung und die Verantwortung der Familien stärker in die Alterssicherung einzubeziehen. Die Rentenversicherungen gewährleistet nur eine knapp bemessen (Grund-)Versorgung, weshalb die Älteren oft nach Ende ihrer betrieblichen Laufbahn weiterarbeiten oder während ihres Arbeitslebens Vermögen anhäufen müssen. Durch diese knappere Versorgung liegen die japanischen Rentenversicherungsbeiträge (ca. 14,5%) fast 6% unter dem deutschen Beitragssatz. Durch die Überalterung der japanischen Gesellschaft ist ein Anstieg der Beitragsleistungen zu erwarten. Z.B. soll von den bisher lohnnebenkostenfreien Bonuszahlungen ein zusätzlicher Sonderbeitrag von 1% abgeführt und das Rentenanspruchsalter bis 2013 auf 65 Jahre erhöht werden.
Mit der steigenden Zahl der Älteren werden deren Einflußmöglichkeiten wachsen. So wird sich dieses System, welches die Rentenempfänger sehr unterschiedlich behandelt, eventuell wandeln. Die Gruppe älterer Personen wird mit wachsender Größe auch ein interessanteres Kundensegment für die Wirtschaft. Der sogenannte Silver-Market stimmt speziell auf ältere Käufer Angebote (Bekleidung, Reisen, Wohnungen u.ä.) ab. Die Senioren wollen heute mehr als früher ihren Ruhestand genießen und ihre Reisetätigkeit nimmt zu. Außerdem entstehen für wohlhabende Alte spezielle "Ruhestandskolonien" in und außerhalb von Japan.
Die niedrigen Arbeitslosenzahlen in Japan werden häufig auf erfassungstechnische "Manipulationen" der offiziellen Statistiken, z.B. durch die Berechnungsbasis und geringe Mindestarbeitszeiten, zurückgeführt. Doch auch wenn die Methoden an internationale Standart angepaßt werden ist die Zahl noch geringer als in anderen Ländern. Die Bedingungen der japanischen Arbeitsverhältnisse, speziell die der Kernbelegschaften, verhindern eine höhere Arbeitslosigkeit (versteckte Arbeitslosigkeit). Die hohe Zahl und Vielfalt von zweitrangigen Arbeitsverhältnissen in den Randbelegschaften und im Dienstleistungssektor dienen als Auffangbecken für Arbeitslose. Die Manipulationen haben keine direkte Auswirkung auf die tatsächliche Arbeitslosigkeit, sondern nur politische Bedeutung. Die niedrige Anzahl der ausgewiesenen Arbeitslosen bedeutet eine Sicherung des sozialen Friedens und läßt eine politische Notwendigkeit zur Verbesserung der sozialen Sicherheit als unnötig erscheinen.
Die japanische Arbeitslosenversicherung hat im Vergleich zu Deutschland relativ kurze Bezugszeiten von durchschnittlich einem halben Jahr. Nach dieser Bezugszeit gibt es kein staatliches Auffangnetz im Sinne einer Arbeitslosenhilfe für die Betroffenen mehr. Diese mangelnde Absicherung und Tatsache, daß die Hälfte der japanischen Arbeitnehmer nicht versichert ist, bewirkt einen Zwang zur Arbeitsuche, und die Dringlichkeit eine neue Arbeitsstelle zu finden wird existenziell. Diese Regelung, durch die die Arbeitsuchenden gezwungen sind praktisch jeden Job anzunehmen, bewirkt eine Dynamisierung des Arbeitsmarktes und somit eine niedrigere Zahl an Arbeitslosen.
Die statistisch gering Zahl der Arbeitslosen hat keine Auswirkungen auf die Zahl der tatsächlichen Leistungsempfänger. Durch die besonderen Umstände des Arbeitsmarktes sind die Zahl der Leistungsempfänger und somit die Leistungen stark eingeschränkt. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (1,25%) betragen nur ein Fünftel der deutschen (6,5%). Niedrige Beiträge bedeuten durch niedrigere Lohnnebenkosten gegenüber Ländern mit höher Arbeitslosigkeit einen Wettbewerbsvorteil.
Die anhaltende Krise der 90er hat die Hemmschwelle für Entlassungen in den Großbetrieben gesenkt. Überflüssige Arbeitsplätze werden abgebaut, da die durch die Arbeitslosenversicherung bezahlten Zuschüsse auf einen gewissen Zeitraum beschränkt sind. Das Auffangnetz durch kleinere Betriebe im Dienstleitungsbereich gerät in Gefahr (siehe 6.2.4). Die Tendenz zur Produktionsverlagerung ins kostengünstigere Ausland, stellt z.T. die traditionelle Zusammenarbeit der Großunternehmen mit ihren Zulieferern in Frage und gefährdet Arbeitsplätze in den KMU. Ob die genannten Punkte die Arbeitslosenzahlen in der kommenden Zeit in die Höhe schießen läßt bleibt abzuwarten.
Zwischen tarifliche und betriebliche Leistungen besteht durch i.d.R. betriebliche Tarifverträge kein Unterschied. Zu diesen Leistungen werden unter anderem Zahlungen für gesetzliche Feiertage, für Urlaubstage und Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall gezählt. Auch werden häufig Ausbildungsvergütungen als Personalzusatzkosten ausgewiesen. Dies spielt allerdings in Japan eine geringere Rolle, da es eine reine Ausbildung im deutschen Sinne kaum gibt.
Bei den freiwilligen Lohnnebenkosten muß die Dualität des Arbeitsmarktes beachtet werden. Zusätzliche Leistungen erhalten überwiegend nur die Kernbelegschaft großer und eventuell noch mittlerer Unternehmen. Diese Betriebe haben beispielsweise für ihre Stammarbeiter Zusatzversicherungen abgeschlossen, welche den Eigenanteil bei medizinischer Versorgung decken oder betriebliche Rentenversicherungen, um eine Absicherung nach der betrieblichen Altersgrenze zu schaffen. Außerdem haben große Unternehmen häufig eigene Krankenhäuser, Ferieneinrichtungen u.ä.. Manche Unternehmen stellen ihren Beschäftigten Werkswohnungen zur Verfügung, welche sonst für die Begünstigten nur schwer finanzierbar wären. Einzelnen Abteilungen gehen z.T. nach Feierabend auf Betriebskosten geschlossen in (Karaoke-)Bars. All diese Zusatzleistungen dienen der Stärkung der Firmengemeinschaft (-familie), um eine hohe Loyalität der Mitarbeitern zu erreichen.
Für Randbelegschaften und Beschäftigte vieler Mittunternehmen sind diese Zusatzleistungen nicht oder nur eingeschränkt zugängig. In kleinen Unternehmen sind selbst gesetzlichen Leistungen nur z.T. gewährleistet. Für diese ist neben der gesetzlichen Absicherung eine höhere Sparquote nötig, d.h. sie müssen bei geringeren Löhnen mehr für Notfälle oder das Alter zurücklegen.
Soziale Sicherung hat die Aufgaben das Einkommen bei Eintritt sozialer Risiken zu sichern, den Einkommensstrom innerhalb des Lebenszyklus zu verstetigen und Einkommensungleichheiten zu verringern (Verteilungsaspekt). Durch die soziale und auch politische Integration (Gewerkschaften), sowie der daraus resultierenden sozialen Gerechtigkeit und Befriedigung der gesellschaftlichen Gruppen, wird die Spaltung der Gesellschaft abgemindert und der soziale Frieden gefestigt.
Sozialleistungen können die (räumliche und sektorale) Mobilität der Arbeitskräfte erhöhen (z.B. Eingliederungshilfen und Umschulungsfinanzierung). Sie können aber andererseits auch durch Sozialleistungen verringert werden, da die Arbeitskräfte z.T. durch Transfers ihren Lebensstandard relativ halten können und in der Nähe, in der gleichen Berufsgruppe eine Arbeit suchen.
Die Arbeitnehmer sind bestrebt, zusätzlich zur Lohnhöhe ein optimales Arbeitsumfeld zu erreichen. Dies hat zur Folge, daß die Unternehmen durch zusätzliche Leistungen ihre Mitarbeiter zu halten versucht. Wenn keine gesetzlichen Sicherungspflicht bestehen würden, würden die Betrieb durch zusätzliche Leistungen um möglichst qualifizierte und leistungsstarke Arbeitskräfte werben. Dies trifft speziell auf den japanischen Arbeitsmarkt zu, auf dem sich die großen Unternehmen um die knappen qualifizierten Arbeitskräfte bemühen. Gleichzeitig findet unter den potentiellen Arbeitnehmern schon am Anfang der schulischen Laufbahn ein Wettbewerb statt, da durch das Erreichen einer Universität, die zukünftige Laufbahn festgelegt ist.
Das System der gesetzlichen Sozialversicherungen kann gegenteilige Folgen haben: Wenn eine umfassende gesetzliche Absicherung nach europäischem Vorbild besteht, kann dies zur Ausnutzung sozialer Leistungen führen. Das Gefühl der völligen sozialen Absicherheit durch den Staat kann die Arbeitsmoral dämpfen, da diese Sicherung auch im Falle einer Entlassung und in anderen Unternehmen greifen würde. In Japan sind die Großunternehmen z.T. für die Alters- und Krankensicherung verantwortlich. Dadurch sind die Arbeitnehmer loyaler gegenüber ihrem Unternehmen als dies bei einer reinen staatlichen Absicherung der Fall wäre.
Eine nachteilige Folge erhöhter Lohnnebenkosten ist, daß die Nettoentlohnung des Arbeitnehmers tendenziell sinkt. Die Motivation sinkt und die Anreizte auf Arbeitsformen, bei denen die Abgaben vermieden oder gedämpft werden können, (z.B. (Schein-)Selbständigkeit, Eigenarbeit und Schwarzarbeit) auszuweichen steigt. Speziell entgeldabhängigen Lohnnebenkosten wie die Krankenversicherung, bei welcher trotz steigenden Beitragssätzen die Leistungen unverändert bleiben, erzeugen diesen Effekt. Die neueingeführte Pflegeversicherung in Japan wird nicht wie in Deutschland vollständig durch eine zusätzliche einkommensabhängige Abgabe, sondern zur Hälfte durch eine Erhöhung der Verbrauchssteuer finanziert.
Im Bereich niedriger Löhne sinkt die Motivation der Arbeitslosen eine Arbeit anzunehmen, da durch Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe ohne Aufwand ein Einkommen erzielt wird, welches das Existenzminimum sichert. Die Arbeitskraft wird eher eingesetzt, um zusätzlich zum Sozialtransfer ein Einkommen zu erzielen (Schwarzarbeit). Hierzu werden in Deutschland Überlegungen angestellt, zusätzliche (legale) Einkommen nicht vollständig von dem Transfereinkommen abzuziehen, um so die Motivation zu heben und die Arbeitskraft auf lange Sicht zu erhalten. In Japan ist eine geringfügige Nebenerwerbsarbeit zusätzlich zum Arbeitslosengeld gestattet, insofern nicht die Einkünfte zusammen mit dem Arbeitslosengeld 80% des bisherigen Lohnes überschreiten.
Auch in Bezug auf die Motivation und Loyalität der japanischen Arbeitnehmer sind die mit der Betriebszugehörigkeit steigenden Lohnkosten zu sehen. Diese stellen bedingt durch das wachsende Durschnittsalter der Erwerbsbevölkerung und die Erhöhung der betrieblichen Altersgrenze ein wachsendes Problem für die Betriebe dar. Durch Frühpensionierungen und andere Maßnahmen wird versucht, dem durch das Senioritätsprinzips verursachten Kostenanstieg entgegenzuwirken. Die Asashi Shimbun prophezeite: "der Kriegszustand in unseren Firmen steht vor einer Eskalation". Die Unternehmen stellen sich durch veränderte Arbeitsvertragsabschlüsse auf das steigende Alter ihrer Belegschaften ein, "indem sie ihre Beschäftigte überzeugen, ab 50 Jahren geringere Löhne zu akzeptieren und dafür später in den Ruhestand zu treten." Die Großunternehmen veränderten seit Ende der 70er ihre Lohnstruktur in der Weise, daß der höchste Lohn mit etwa 45 Jahren und nicht mehr kurz vor dem Pensionierungsalter mit 55 Jahren erreicht wurde. Im Gegenzug wurde die Altersgrenze in Großunternehmen z.T. auf 60 Jahre angehoben. Eine andere Maßnahme war, daß die Kernbelegschaften zunehmend durch die Erweiterung der Randbelegschaften verkleinert wurden, welche i.d.R. mit geringeren Löhnen und Sozialleistungen sowie nach dem Leistungsprinzip bezahlt werden. Die Folgen der Erosion der Arbeitsstrukturen auf die Loyalität der Mitarbeiter bleibt abzuwarten.
Die Beiträge zu den Sozialversicherungen wirken wie Zwangssparen: Sie mindern das private verfügbare Einkommen und dienen der materiellen Zukunftsvorsorge. Das Ausmaß des Zwangssparen ist im Allgemeinen höher als das des freiwilligen Sparens. Dies betrifft vor allem die niederen Einkommensklassen, deren Spartätigkeit weniger ausgeprägt ist. Auch ohne gesetzliche Sozialversicherungen müßten die privaten Haushalte auf Konsum verzichten, um Vorsorgeausgaben tätigen zu können. Die Pflicht, Beiträge leisten zu müssen, lockert "das Band zwischen Leistungsumfang und Belastungshöhe". Die Sparquote sinkt auch mit steigendem Ausbau des Systems der sozialen Sicherung, da das Risiko sozialer Härten abgemildert wird. Die Pflichtbeiträge der Rentenversicherung stehen aber im Gegensatz zu den Ersparnissen nicht für Investitionen zur Verfügung, da sie durch das Umlageverfahren an die momentane Generation von Alten ausbezahlt werden.
Durch die niedrigeren Beitragssätze in Japan haben die Unternehmen niedrigere Lohnkosten und die Arbeitnehmer mehr Nettolohn zur Verfügung. Aufgrund der geringeren gesetzlich Vorsorge müssen Japaner zusätzlich Guthaben ansparen oder Versicherungen (z.B. Lebensversicherungen) abschließen. Dies trifft verstärkent für die Beschäftigten kleineren Unternehmen zu, da dort die betrieblichen Sozialleistungen unterentwickelt sind. Japanische Familien sparen auch häufig für die Ausbildung ihrer Kinder, um die Gebühren für Prüfungen, die Schulgebühren und den Nachhilfeunterricht bezahlen zu können. Diese erhöhten Ersparnisse stellen die Grundlage für Investitionen dar. Durch die Überalterung und die damit verbundenen höheren Beiträge wird nach Schätzungen die Sparquote von 16% des verfügbaren Einkommens auf zwischen 8% und 5% sinken (USA: 3-5%). Bei einer starken Absenkung der Spartätigkeit, fällt durch steigende Kapitalimporte der Leistungsbilanzsaldo.
In den Personalzusatzkosten können Kosten enthalten sind, welche nicht unmittelbar mit der geleisteten Arbeit im Zusammenhang stehen. Dies sind z.B. ein Teil der Beiträge zur Krankenversicherung (Mitversicherung der Angehörigen) und zur Rentenversicherung, durch welche die Leistungen der momentante Rentnergeneration finanziert werden und die Beitragspflichtigen nicht unmittelbar äquivalente Rentenansprüche erwerben. Auch Kosten für betriebseigene Krankenhäuser und Ferieneinrichtungen, Betriebsärzte und -räte, welche von der Anzahl der beschäftigten Personen abhängig sind, sind nicht unmittelbar an die Arbeitsleistung gekoppelt. Ein Anstieg der Kosten, welche alleine den Arbeitnehmern zugutekommen und so auch ein Teil ihrer Entlohnung darstellt, müßten eigentlich eine Senkung der Arbeitslöhne zur Folge haben. Da aber i.d.R. die Löhne nach unten starr sind, wächst der Lohnkostenblock an. Wenn die Lohnnebenkosten die Kosten des (Anlage-)Kapitals übersteigen, haben kapitalintensivere Betriebe Vorteile gegenüber den arbeitsintensiven Betrieben. Dies kann dazu führen, daß Arbeitsplätze zugunsten von kapitalintensiveren Produktionsverfahren (Rationalisierung) verloren gehen. So bewirken Sozialabgaben gerade das, was sie eigentlich mildern sollten. Betroffen sind vor allem die schwächeren Gruppen, wie Auszubildende, ältere Arbeitnehmer und Teilzeitbeschäftigte, welche die sozialen Kosten verhältnismäßig stark in die Höhe treiben.
Diese Umstände führten zu der Forderung nach einer "Maschinensteuer", einer Abgabe auf den Kapitalstock, um dem Anreiz zur Rationalisierung entgegenzuwirken. Die Wirksamkeit dieses Vorschlag wird jedoch bezweifelt, da die Kapitalbesteuerung zu einer Verringerung der Investitionen führen und so nicht Arbeitsplätze erhalten, sondern das Wachstum gebremst werden würde.
Die Personalnebenkosten können andererseits als eine Internalisierung eines Teiles der sozialen Kosten für Arbeitsunfällen, vorzeitiger Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit u.ä. gesehen werden. Die Sozialleistungen dienen der Stabilisierung der Konsumgüternachfrage und so auch der Beschäftigung, sowie der Erhaltung die physische Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Durch Sozialleistungen wird eine soziale Zufriedenheit hergestellt, welche den sozialen Frieden innerhalb und außerhalb der Betriebe sicherstellt und somit für eine sichere Kalkulationsgrundlage sorgt.
Da eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, d.h. ein wachsendes Volkseinkommen, nicht automatisch eine "gerechtere" Verteilung der Einkommen bewirkt, ist eine gestaltende Sozialpolitik nötig. Der Staat tritt durch seine Sozialpolitik als Ordnungsinstanz auf, um "die ökonomische Verfügungsmacht sozialer Gruppen nach übergeordneten Gesichtspunkten mitzubestimmen." Der Staat greift dabei in die Primär- (Löhne, Gewinne und Zinsen) und vor allem in die Sekundärverteilung (Sozialabgaben und Steuern) ein. Er gewährt monetäre (Geldleistungen), reale (Sachleistungen) und implizite Transfers (indirekte Leistungen wie Steuervergünstigungen). Die Preispolitik der Unternehmen und die Lohnpolitik der Gewerkschaften beeinflußt neben der Einkommensverteilung die fiskalischen Spielräume der staatlichen Sozialpolitik und staatliche Transferleistungen und umgekehrt. Die Sozialversicherungen haben einen geringeren interpersonellen (zwischen den Gruppen), als viel mehr einen intertemporalen Verteilungseffekt (Verstetigung des Einkommens im Lebenszyklus).
In einer Volkswirtschaft mit wirtschaftlichem Wachstum können Umverteilungen aus Zuwächsen relativ unproblematisch finanziert werden. Bei geringeren Wachstums oder Stagnation sind die Einkommenssteigerungen einer Gruppe nur zu Lasten anderer Gruppen möglich und es entstehen Verteilungskämpfe. Überalterung engt die Möglichkeiten der Sozialpolitik ein, da einer wachsenden Anzahl von Leistungsempfängern eine sinkende Anzahl an Beitragszahlern gegenübersteht. Die jüngere Generation hat unter Umständen Probleme mit der Vorstellung, die ältere Generation über das Umlageverfahren heute zu finanzieren, wenn die eigene Versorgung in der Zukunft ungesichert erscheint.
Japan | BRD (West) | |
Produktivität | + 125 | + 34 |
Preise | - 19 | + 35 |
Verteilungsspielraum | + 82 | + 81 |
Löhne/Gehälter je Stunde | + 64 | + 76 |
Verteilungspostition | - 10 | - 3 |
Für die verteilungspolitische Entwicklung werden die Metallunternehmen im Zeitraum zwischen 1980 und 1991 betrachtet. Löhne und Gehälter haben in diesem Zeitraum in Deutschland und in Japan eine vergleichbare Entwicklung genommen: Die Entgelder stiegen um 61% bzw. um 62% und die Gewinne um 115% bzw. 110%. Somit sind in beiden Ländern die Gewinne fast doppelt so schnell angestiegen wie die Löhne. Diese Entwicklung beruhten in den beiden Ländern auf verschiedenen Ursachen. Eine Möglichkeit die Verteilungspielräume zu ermitteln ist die "Gegenüberstellung von Produktivitäts- und Verkaufspreisentwicklungen auf der einen und der Lohnentwicklung auf der anderen Seite". Die Tendenzen, die sich hinter dieser Parallelität verbergen, sind recht unterschiedlich (siehe Tabelle). Zwischen 1980 und 1991 stieg die Produktivität in Japan weitaus höher an als in Deutschland und die Preise sanken um 19%, wobei die Inlandspreise um 8%, die Exportpreise hingegen um 21% sanken. Die Gewerkschaften und anderen Industrieländer kritisieren, daß Auslandsmärkte durch eine Preissenkungspolitk erobert oder gehalten wurden. Diese Strategie setzte nach dem endaka-Schock, der dem Plaza-Abkommen folgte, ein um die Auslandspreise nach der Aufwertung zu sichern. Dadurch standen die Produktivitätsentwicklungen nicht für Lohnsteigerungen zur Verfügung und die Innlandspreise wurden relativ konstant gehalten. Dies bedeutete eine geringeren Anteil der Arbeitnehmer an den gesamten Preissenkungen. Die japanische Bevölkerung hat erkannt, daß sich der wirtschaftliche Aufschwung und der Lebensstandard nicht gleichermaßen entwickelt haben ("Wohlstandsparadoxons"). Dies spiegelt sich in den langen Arbeitszeiten, hohen Konsumentenpreisen und den überteuerten, knappen Wohnverhältnissen wider. Vor allem Amerika forderte von Japan einen Kurswechsel von der Exportorientierung zur Stärkung der Binnennachfrage und einem Ausbau der sozialen Sicherung. Der Maekawa-Bericht (1987) forderte von japanischer Seite die Stärkung der Binnennachfrage durch eine Verbesserung der Wohnsituation, einen Ausbau der sozialen Infrastruktur, Senkung der Lebenserhaltungskosten usw.. Das MITI veröffentlichte 1990 das Strategiepapier "Handels- und Industriepolitik in den 90er Jahren", welches "einen Kurswechsel hin zu mehr Sozialstaatlichkeit" fordert. Die Behörde vertritt die Meinung, daß bei einer immer stärker differenzierten Wohlstandsverteilung ein "Gefühl der Frustration die Gesellschaft unterwandern...[könne und]...das könnte wiederum die Motivation und die Kreativität des einzelnen untergraben." Die Kernziele dieser Vision waren die Leistung des japanischen Beitrags zur internationalen Gesellschaft sowie interne Reformen, die Verbesserung der Lebensqualität und die Sicherung des langfristigen Wirtschaftswachstums. Die Ansicht, daß einer erfolgreichen Wirtschaftsentwicklung automatisch eine Steigerung des Lebensstandards folgen würde, wurde als nicht mehr zutreffend erkannt.
Die gezielte Beeinflußung der Einkommen hat Folgen für die gesammtwirtschaftliche Struktur: Die Umverteilung der Einkommen beeinflußt die Kaufkraft der verschiedenen Gruppen. Dadurch wird auch die Nachfrage- und Angebotsstruktur verändert. Dies bedingt eine Veränderung bei der Nachfrage nach Arbeit und Kapital. Folglich werden auch die Güter- und Faktorpreisrelationen verändert und das Wirtschaftswachstum sowie die öffentlichen Haushalte werden beeinflußt. Staatsgestützte Nachfrage, wie z.B. im Gesundheitswesen oder beim Wohngeld, können zu überhöhten Preisen führen, welche die Einkommem der Anbieter erhöht, jedoch die soziale Sicherung zusätzlich belastet.
Auch in Phasen wirtschaftlicher Strukturwandel dient die Sozialpolitik als stabilisierender Faktor, da die Anpassungskosten der privaten Haushalte durch Transferzahlungen abgemildert werden können. So können Widerstände gegen den Strukturwandel verringert und der soziale Frieden gewahrt werden, d.h. die wirtschaftliche Anpassungsflexibilität der Wirtschaftssubjekte wird verbessert. Es besteht aber die Gefahr, daß Sektoren, welche zur Vermeidung sozialer Härten durch Subventionen erhalten werden, nicht auf eine gesunde Größe schrumpfen können und so ein zukünftiges Wachstum bremsen, da die optimale Allokation verhindert wird und soziale Mittel längerfristig (unrentabel) gebunden werden. Auch wandern die Arbeitskräfte durch scheinbar sichere Arbeitsplätze nicht in einen zukunftsträchtigere Branchen ab. In Japan wurden niedergehende Branchen in der Vergangenheit nicht "künstlich am Leben erhalten" sondern auf ein gesundes Maß zusammengeschrumpft.
Wirtschaftliche Probleme können besser überwunden werden, wenn die maßgeblich beteiligten Gruppen (Staat, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände) bei der wirtschaftspolitischen Lösungsfindung zusammenarbeiten. Begünstigt wird diese Zusammenarbeit durch eine "längere Tradition friedlicher, stabiler und berechenbarer Abeitsbeziehungen". Die Sozialpolitik trägt zum Konsens zwischen den Konfliktparteien bei, da u.a. die Streikwilligkeit der Gewerkschaften gedämpft wird. Bei Ländern, welche sozialpolitische Entscheidungen auf politischer Ebene treffen, werden die Arbeitskämpfe entschärft, da sie nicht auf unmittelbar betrieblicher oder regionaler Eben ausgetragen werden. So können die Unternehmen und der Staat durch Zugeständnisse eine Zurückhaltung der Gewerkschaften erwirken. Durch die Sozialisation in eine gruppen-bezogenen Gesellschaft und der Prägung der Firmenfamilie, ist das Verhältnis in Japan von Gewerkschaften und Unternehmen von anderer Natur als in den westlichen Industrieländern. Die Gewerkschaften versuchen in Abstimmung mit den Unternehmen nicht nur die Lebenssituation der (Kern-)Belegschaft sondern auch die Zukunftsaussichten der Unternehmen zu verbessern. In Japan wird die soziale Verantwortung verstärkt auf die Unternehmen und die einzelnen Personen übertragen.
Mit anhaltendem Wachstum einer Volkswirtschaft steigt der Spielraum und der Anspruch auf soziale Sicherung. Durch wachsenden Wohlstand steigt, wie in Japan nach dem Krieg, die Lebenserwartung an und gewinnt die Sicherung im Alter zunehmend an Gewicht. Zum anderen auch, da bei steigenden Wohlstand ein Verlust des Einkommens stärkere Folgen nach sich zieht.
In einigen Ländern korreliert das Wachstum der Sozialausgaben negativ mit dem des Volkseinkommen. Der Schluß liegt nahe, daß die Sozialabgaben wenigstens z.T. konjunkturabhängig sind und als automatische Stabilisatoren fungieren. Speziell trifft dies für die Arbeitslosenunterstützung zu, deren Beiträge in Wachstumsphasen Kaufkraft abschöpfen und ein Sinken dieser in Konjunkturkrisen durch steigende Transferleistungen entgegenwirken. Voraussetzung ist, daß die Beiträge in Krisen trotz der ansteigenden Ausgaben nicht ansteigen. Da die Beiträge und Leistungen der Arbeitslosenversicherung verhältnismäßig gering sind, sind sie nur ungenügend in der Lage, "ein großes Gegengewicht zur konjunkturellen Entwicklung zu entfalten."
In Japan sind die kontrazyklischen Muster weniger ausgeprägt und die sozialen Kosten reagieren z.T. etwas zeitverzögert auf die Veränderungen des Volkseinkommens. Der geringe Einfluß der sozialen Leistungen auf das wirtschaftliche Wachstum wird durch die kurzen Bezugsdauern und die geringen Arbeitslosenzahlen zudem abgeschwächt. Der starke Anstieg der sozialen Kosten im Jahre 1974, dem Anfang der "Ära der Wohlfahrt", ist auf die geänderte Politik zurückzuführen. Es ist aber erkennbar, daß die Sozialausgaben meistens stärker stiegen als das Volkseinkommen.
Die gesamtwirtschaftlichen Folgen des Distributions- und Servicesystem sowie der kleinen Zulieferbetriebe im Bezug auf die soziale Sicherheit wurde in den Abschnitten der Renten- und der Arbeitslosenversicherungen bereits erläutert. Sie mildern soziale Härten, indem sie wie ein Auffangbecken für Arbeitslose und Ältere fungieren. Als Folge sind die Gesamtleistungen an Arbeitslose und Rentner vergleichsweise niedrig und die Lohnnebenkosten aller Unternehmen geringer. Die hohe Zahl von Beschäftigten vor allem im Servicebereich schlägt sich aber anstelle durch die Lohnnebenkosten durch die höheren Serviceleistungen auf die Preise nieder. Wer in Japan ein größeres Kaufhaus oder eine Tankstelle "besucht" hat, wird verstehen, was aus europäischer Sicht als übertriebener Service beschrieben werden kann. Empfangsdamen, welche höflich die Tür öffnen, und etwa vier Personen, welche sich um ein tankendes Auto kümmern, müssen die Preise zwangsläufig in die Höhe treiben.
Ebenso sind hohe Preise eine negative Folge des verzweigten Vertriebssystems mit eine Unzahl kleiner Fachgeschäfte. Die komplizierten Vertriebsstrukturen, welche z.T. an Unternehmen gebunden sind, sind seit Jahren ein Streitpunkt zwischen der USA und Japan, weil sie den Marktzutritt für ausländische Firmen erschweren. Das Gesetz für großflächige Einzelhandelsgeschäfte, das die Zustimmung der umliegenden Geschäfte bei Eröffnung eines Supermarktes erforderlich machte, wurde z.B. revidiert. Supermarktketten und Einkaufszentren können durch ein breiteres Sortiment (Importwaren), Direktimporte und verringerte Serviceleistungen ein attraktiveres kostengünstiges Warensortiment als die kleine Fachgeschäfte bieten, welche den Vorteil der räumlichen Nähe haben.
Durch die anhaltende Wirtschaftskrise der 90er Jahre verändert sich das Verhalten der Konsumenten: Das Qualitätsbewußtsein und das Schätzen des Services weicht zunehmend einem Preisbewußtsein. So entstanden in den Randbezirken entlang von Hauptstraßen sogenannte "Roadside Shops", welche z.T. eigenen Marken im kostengünstigeren Ausland produzieren lassen sowie die Ausstattung und den Service minimieren. Zusammengefaßt ist festzuhalten, daß die kleinen (Fach-)Geschäfte heute, auch durch Überalterung der Eigentümer, im schwinden sind.
Ähnliches gilt auch für die kleinen Betreibe, die durch Verlagerung der Vorproduktion ins Ausland gefährdet sind. Zudem wird eine Tätigkeit der Älteren durch die betriebsspezifische Ausbildung und den technischen Fortschritt schwieriger. Diese Betriebe können allerdings nicht für die hohen Preise verantwortlich gemacht werden, da sie aufgrund des Preisdrucks der größeren Unternehmen nur minimale Lohnnebenkosten haben.