Das japanische Sozialsystem

7. Schlussbetrachtung

 


Inhaltsverzeichnis


Betrachtet man die gesetzlichen Regelungen im sozialpolitischen Bereich, könnte man annehmen, daß die soziale Sicherheit in Japan hervorragend garantiert ist. Der Staat tritt im sozialen Bereich weniger als umfassende Schutz- und Leistungsgemeinschaft auf, sondern eher als ein "ordnender Organismus", der den verschiedenen konkurrierender Gruppen (z.B. Betriebe und Familien) einen Rahmen vorgibt und die gruppenübergreifender Solidarität betont. Aus diesem Grunde wurde im Gegensatz zu den europäischen Sozialstaaten der Begriff der Wohlfahrtsgesellschaft geprägt. Die Einbeziehung der Arbeitgeber in die soziale Sicherung basierte aber auf Freiwilligkeit, so daß Großunternehmen ihren Belegschaften Sozialleistungen anbieten können. Diese hohen Leistungen für die Stammbelegschaft können nur durch die flexibel gestaltbare Randbelegschaft und einem massiven Kostendruck auf die Zulieferer aufrecht erhalten werden. Die Zulieferer müssen das Niveau der Sicherung absenken und mit jeder Stufe, welche man in der Zulieferpyramide abwärts steigt, sinken die Leistungen, bis nichteinmal die theoretischen Pflichtversicherungen für die Beschäftigten gewährleistet sind. Dies wird durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und durch die bei kleineren Unternehmen nicht mit genügend Nachdruck durchgesetzten Regelungen ermöglicht. In Japan gibt es nicht nur bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen, sondern auch bei der sozialen Sicherheit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die zukünftige Alterssicherung eines japanischen Kindes beginnt schon durch das Schulsystem z.T. im Kindergarten, wodurch die japanische "Lernbessenheit" erklärt werden kann. Durch die hierbei entstehen hohen Kosten wird eine Aufstieg in eine bessere soziale Position erschwert.

Im japanischen Falle von Sozialdumping zu reden ist übertrieben, aber nicht vollkommen falsch, da die niedrigen Exportpreise auf Kosten der japanischen Bevölkerung durchgesetzt werden. Außerdem werden die hohen Löhne und Leistungen für die Stammbelegschaften der großen Unternehmen durch geringere an die übrigen Erwerbstätigen "finanziert". Die Forderung von amerikanischer Seite nach einer Verbesserung der sozialen Sicherung in Japan wirkt aber eher lächerlich, da das System der sozialen Sicherung in der USA als unterentwickelt bezeichnet werden kann und sich sogar tendenziell verschlechtert.

Das japanisch System der sozialen Sicherung erscheint auf den ersten Blick aufgrund der niedrigen Kosten sehr verlockend. Besonders wenn man den hohen Lebensstandard der japanischen Bevölkerung und die soziale Absicherung der Beschäftigten in den großen Unternehmen sieht. Auf den zweiten Blick ist aber erkennbar, daß durch die Verlagerung der Verantwortung für die soziale Absicherung auf die Bevölkerung und die Unternehmen eine Zweiklassengesellschaft entstanden ist. Schon in den großen Unternehmen wird das positive Bild durch die Unterteilung in Stamm- und Randbelegschaft getrübt, wodurch schon ein sozialer Schnitt entstanden ist. Zudem basiert das japanisch Sicherungssystem auf anderen (religiösen) Wertvorstellungen, Traditionen und historischen Erfahrungen, als daß es ohne weiteres auf westliche Gesellschaften übertragbar wäre.

Abschließend kann gesagt werden, daß das japanische Modell nicht unbedingt als Vorbild herhalten kann, jedoch als ein Denkanreiz gesehen werden muß (z.B. wurde in den Niederlanden in ähnlicher Weise die Verantwortung für die Alterssicherung bis auf eine Grundsicherung auf die Betriebe verlagert). Allerdings müßte der gesetzliche Druck auf die Unternehmen stärker als in Japan sein und "Schlupflöcher" verhindert werden. Durch die Verlagerung auf die Betriebe, könnte ein Markt für verschiedene Versicherungen aufgebaut werden und so auch ein kostensenkender Wettbewerb, da die Mittel bei den monoploistischen staatlichen Versicherungen oftmals in falsche Kanäle fließen.